Das Dorf Kleinbottwar und die Gründung der Georgskirche

Georgskirche Kleinbottwar 1860

Kleinbottwar wird im Jahr 1245 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Zu jener Zeit gehörte die eine Hälfte der Siedlung zu Steinheim, die andere zu Großbottwar. Steinheim wiederum gehörte zum Bistum Speyer und Großbottwar zum Bistum Würzburg. Die Grenzlinie verlief entlang dem Wehrbach, mitten durch Kleinbottwar. Unser Ortszeichen, das Rädchen als geteilter Ring (seit 1694) nimmt wahrscheinlich Bezug auf diese Ortsteilung.

 

Im 13. Jahrhundert wurde die Burg Schaubeck von badischen Lehensleuten errichtet. Die Besitzverhältnisse an Burg und Gemeinde änderten sich vielfach und waren z.T. kompliziert. Große Teile der Fluren und Rechte gehörten dem badischen Stift Backnang. Ein weiterer alter und großer Grundbesitzer war das Benediktiner-Mannskloster Murrhardt. Das Frauenkloster Mariental / Steinheim besaß Ländereien der Burg und die südliche Dorfhälfte bis zum Wehrbach. Im Jahre 1406 erlangte Württemberg einen Teil der Hoheits- und Besitzrechte in Kleinbottwar.

 

Stetigkeit kam in die Besitzverhältnisse, als die Familie von Plieningen durch Heirat auf die Burg kam. Georg von Nippenburg trat seinem Schwiegersohn Dietrich von Plieningen (der Ältere) für 2800 Gulden sein Lösungsrecht zu Schaubeck ab.

1480 wurde Dietrich von Plieningen der Ältere von Graf Eberhard von Württemberg mit Burg Schaubeck und dem zugehörigen Grundbesitz, der nördlichen Dorfhälfte, belehnt. Kirchlich war Kleinbottwar eine Filiale von Steinheim mit einer St. Georgskapelle. Ein bis zwei Wochenmessen waren vom Steinheimer Pfarrer in Kleinbottwar zu lesen. In harten Kämpfen gelang es den Söhnen von Dietrich dem Älteren, die südliche Dorfhälfte vom Kloster Mariental/Steinheim als freies Eigentum zu erwerben und somit den bis dahin geteilten Ort zu vereinigen. Da das Kloster seinen Zehnten behalten durfte, waren die Bauern allerdings wie zuvor abhängig und je nach Lage ihrer Güter verschiedenen Herren zehntpflichtig.

 

Schon kurz nach der weltlichen Unabhängigkeit Kleinbottwars sollte es auch zur kirchlichen Unabhängigkeit von Steinheim kommen. Die Plieninger erwarben vom Kloster Mariental das Recht der kirchlichen Betreuung und das Patronat über die Kirche.
Eine Urkunde, am 4.September 1500 in Speyer ausgefertigt, bestätigt Kleinbottwar als selbständiges Gemeinwesen seit 13. November 1499. Die neue St.Georgskirche (Bauzeit 149? - 1499), gestiftet von den Gebrüdern Dr.Dietrich und Eitelhans von Plieningen, wurde anstelle der bestehenden Kapelle errichtet und im Jahr 1500 von Johannes von Plieningen geweiht. Primär war die Kirche Taufkirche und Grablege derer von Plieningen, sekundär Gotteshaus für die Bürger. Einer Überlieferung zufolge stand noch 1834 oben im Chor der St.Georgskirche zu lesen: “Anno 1500 ist durch Doktorn Johannes, Domherrn zu Worms und Probsten zu Moßbach, auch Herrn Diterich, Ritter und Doktorn, Gebrüdern von Plieningen als Anfängern dieses Gotteshauses zu einer Pfarrkirchen geweihet, auch von Steinheim und Großbottwar abgesondert worden.”

 

Die Herren von Plieningen

Ahnen- und Verwandtschaftsverhältnisse der Herren von Plieningen.

Die Schwester Margarethe fehlt in der "Ahnentafel". Sie war mit Rüdiger von Westernach, nach dessen Tod mit Lorenz von Westerstetten verheiratet. Aus erster Ehe stammt ihr Sohn Eustachius von Westernach, für den "wegen der Leibesschwachheit des Vaters" Dietrich und Johannes eine Art Vormundschaft übernahmen. Margarethe ist 1524 gestorben und liegt in Urach begraben.

 

Dr. Dietrich und Johannes hatten in Italien studiert, waren von der beginnenden Renaissance beeinflußt und hatten hohe Ämter inne. 1503 wurden Dietrichs Verdienste geehrt, er wurde zum Ritter geschlagen. Kaiser Maximilian I. verlieh am 10. August 1500 Dietrich und seinen Lehenserben das Recht, ein Halsgericht, Stock und Galgen in Kleinbottwar zu errichten. Laut Chronik war der Ritter und Humanist Dietrich tugendhaft, gerecht und selbstlos. Er hatte Kontakte zu bedeutenden Humanisten, wie Rudolf  Agricola.
Philipp Melanchthon hat uns den von ihm geschriebenen Text des Liedes “Gwalt, Gunst und Geld” übermittelt:

 

Gwalt, Gunst und Geld

“Gwalt, Gunst und Geld
herrscht in der Welt
mit ganzer Macht.

Der Eigennutz und Herrentrutz
hat jetzt den Pracht.
Wer mag, der sieht kein Recht an,
wo er sein Gwalt verbringen kann.

Der arme Mann muß stehn allein
ohn Beistand gmein.
Hat er nicht Geld, das vorgemeldt,
sein Gunst ist klein.
Wo er will hin, da ist Spiel ein Widerpart,
der hat ihm schon gemischt die Kart,
daß ihm sein Recht nicht kommen kann.

Man schubst ihn für
bis vor die Tür
dort bleibt er stehn.
Es heißt: pfeif mir,
so fidel ich dir;
gib Scheffel und Gab!
So bricht dem Recht der Rücken ab!”

 

Nachdem Dr. Dietrich 1506 nach Bayern übersiedelte war sein Halbbruder Eitelhans von Plieningen mit seiner großen Familie Burgherr von Schaubeck. Als Obervogt zu Marbach verhinderte er im Bauernkrieg 1525 durch eine List ein Blutvergießen sowie den Erfolg des Bauernaufstandes in der freien Reichsstadt.

 

Kirche unterm Reichsrittergut

Von 1497 bis 1641 besaßen die Plieningen das Gut Schaubeck und den halben Ort unter württembergischer Lehensherrlichkeit, die andere Hälfte des Dorfes als freies Eigentum. 1641 erhielten sie das bisher württembergische Mannslehen als volles Eigentum. Über die Töchter des letzten Plieningen fiel der Besitz an die Herren von Gaisberg, die das Gut ca 100 Jahre später an die Herren von Kniestedt verkauften.
Das Recht der kirchlichen Betreuung und das Patronat über die Kirche blieb bis ins 20. Jahrhundert bei der Schaubeck'schen Herrschaft. Die Georgskirche unterstand also nicht der Reichskirche sondern allein dem Reichsrittergut. Über die kirchlichen Belange (Besetzung der Pfarrei, Besoldung des Pfarrers...) hatten nicht die weltlichen oder kirchlichen Fürsten, sondern der jeweilige Ortsadel zu bestimmen. Durch diese besondere Stellung der Kirchengemeinde war in Kleinbottwar so manches anders als in den umliegenden Gemeinden. Pfarrer Meißner schreibt in seiner 1896 erschienenen Ortschronik:
"Eine Eigentümlichkeit des kirchlichen Lebens im vorigen Jahrhundert, welche von uns nicht mehr gebilligt wird, sind die vielen Trauungen fremder Personen. Leute, welche im Württembergischen wegen der strengen Ehegesetze oder wegen unzureichender Papiere nicht zusammenkommen konnten, hatten es hier sehr leicht gegen Erlegung einer Abgabe."

Bis in die heutige Zeit wird Kleinbottwar "das sündige Dorf" genannt.

Kirchweih

Die feierliche Weihe der St. Georgskirche wurde, wie es in allen Orten üblich war, jährlich als Gedächtnisfeier abgehalten. Dazu gehörte: Umschreiten und Salben der Kirche sowie Tanz und Jahrmarkt.
Eine kurze Beschreibung von Pfarrer Meißner findet sich in der Ortschronik: “Zur Kirchweih durfte die Herrschaft allein den Wein schenken und den Tanzplatz verleihen. Auf der Tanzwiese an der Bottwar waren Scholdertische aufgestellt und Spielleute von auswärts ließen sich hören. Sie fand am Feiertag Bartholomäi, am 24.August statt."
Bis heute gibt es im Oktober das Fest der Kirchweih oder Kirbe, wenn auch in etwas anderer Form mit Platzkonzert, Festbetrieb und Rehbraten-Essen.

Reformation

In Württemberg führte der 1534 wiederberufene Herzog Ulrich die Reformation ein. Der älteste Sohn von Eitelhans, Hans Dietrich von Plieningen stand ihm dabei hilfreich zur Seite. Er und sein Bruder Hans Sigmund haben in Kleinbottwar den evangelischen Gottesdienst eingeführt. 
Dass es den Burgherren mit der Reformation sehr ernst war, kann man aus dem Testament von Maria Agnes von Gaisberg Pöllnitz geb. von Plieningen ersehen: "In dem Flecken und Gut soll von den Erben und Nachkommen die reine evangelische Religion beständig erhalten und die Unterthanen bei derselben freier Exercition unbeeinträchtigt gelassen, auch jederzeit dapfere, gelehrte und exemplarische Pfarrer und Geistliche dahin vociert und ehrlich unterhalten werden."
Seit 1556 haben 30 evangelische Pfarrer in Kleinbottwar ihren Dienst versehen. Darunter fanden sich viele "dapfere und gelehrte" Persönlichkeiten, die Großes für Kleinbottwar und für Andere geleistet haben. Ihre Namen sind uns bis zum Jahr 1976 an der Wand der Sakristei unserer Georgskirche überliefert.